Im Kampf für eine bessere Realität mischt sich ein virtueller Staat ins weltpolitische Geschehen ein. Ein politischer Film rund um eine interessante Idee, der durchaus lohnende Denkanstöße vermittelt.
8th Wonderland ist der erste virtuelle Staat, ins Leben gerufen von einem unbekannten Webmaster, dem sich hunderte Menschen aus aller Welt angeschlossen haben, weil sie nicht länger ihren Regierungen dabei zusehen wollen, die Probleme der Welt zu ignorieren. Nach dem demokratischen Prinzip der Abstimmung entscheiden sie wöchentlich über ihre Aktionen, die dazu dienen, auf Probleme und Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen – immer in der Hoffnung damit auch weltweit etwas verändern zu können.
So werden heimlich Kondomautomaten im Vatikan aufgestellt, eine Darwin-Bibel in Millionen-Auflage gedruckt oder ein Truthahn als Geisel genommen, um auf die Thematik der Todesstrafe in Amerika Bezug zu nehmen (wo alljährlich zu Thanksgiving ein Truthahn vom Präsidenten begnadigt wird, hingegen viele Menschen in ihren Zellen auf ihren Tod warten). Zwar erhalten diese Aktionen die geplante mediale Verwertung, aber von erfolgreicher Veränderung ist nichts zu spüren. 8th Wonderland beschließt daraufhin, die Aktionen radikaler zu gestalten und selbst Einfluss auf das weltpolitische Geschehen zu nehmen. Es gelingt ihnen einen Atomdeal zwischen Russland und dem Iran zu verhindern, indem sie eine Dolmetscherin einschleusen, die deren Verhandlungen durch falsche Übersetzungen sabotiert. Gleichzeitig kommt es aber im Inneren des virtuellen Staates zu ersten Zweifeln und Unstimmigkeiten, vor allem da er immer mehr in den Blick internationaler Geheimsdienste gerät, die die Nutzer und deren Identität ausfindig machen wollen.
Als dann plötzlich ein Mann namens John McClane (Matthew Géczy) öffentlich behauptet, Gründer des 8th Wonderland zu sein, entscheiden die Mitglieder, ihren eigenen Botschafter an die Öffentlichkeit zu schicken. Denn McClane vermarktet die Ideen des Staates als Konsumgut und sich selbst als Werbefigur. Per Videoschaltung hat der Botschafter David (Robert William Bradford) nun die Aufgabe, die Aktionen des Staates zu erklären. Doch bald schon verschärft sich die Situation. Durch dessen radikalere Aktionen wird 8th Wonderland zum gefährlichen Feindbild, der Vorwurf einer terroritischen Gruppierung wird laut und immer mehr Mitglieder ziehen sich aus der virtuellen Gemeinschaft zurück.
Identifikation mal anders
Entgegen üblicher filmischer Dramaturgie generiert der Film sein Identifikationspotenzial nicht aufgrund seiner Figuren, sondern aufgrund seiner Idee: Der Idee von einer virtuellen Staatsform, die im Zeitalter der sozialen Netzwerke nicht weit hergeholt erscheint. Keine der beteiligten Figuren steht im Zentrum. Auch über ihren privaten Hintergrund oder einzelne Motivationen 8th Wonderland beizutreten, erfährt man kaum etwas. Genauso demokratisch wie die virtuelle Staatsform an sich, kommt jeder zu Wort, vertritt Meinungen, wirft Fragen auf oder bringt Vorschläge ein. Dabei spielt es keine Rolle, aus welchem Land man kommt, welchen sozialen Hintergrund man hat oder welcher Ethnie man angehört. Alle sind gleichberechtigt und Teil einer großen Gemeinschaft ohne hierarchische Struktur.
Es ist nur fraglich, ob eine Idee ausreicht, um emotionale Identifikation zu schaffen. Vielleicht ist es vielen zu wenig, nur Beobachter eines weltverbesserischen Gedankenguts zu sein, ohne dabei tiefer in die Gefühlswelt einzelner oder wenigstens einer Figuren einzutauchen. Andererseits hat der Film genug damit zu tun, eine Reihe von weltpolitischen Problemen aufzuwerfen, die durchaus nachdenkenswert sind. Warum also nicht den Fokus verlagern – weg vom Einzelnen, hin zum großen Ganzen.
Im Dienst der guten Sache
Dabei ist die eigentlich interessante Frage, die sich der Film bzw. die Mitglieder des virtuellen Staates immer wieder stellen: Wie weit ist man bereit zu gehen, um seine Ideale und seine Ziele durchzusetzen? Was mit kleinen belustigenden Aktionen beginnt, steigert sich schrittweise zu immer radikaleren Maßnahmen, die, auch wenn sie in gewisser Weise nachvollziehbar sind, doch Grenzen überschreiten.
Im Schatten eines Staates, der nicht existiert, der auf keiner Landkarte zu finden ist, ist es natürlich einfacher, ungeschoren davon zu kommen. Aber verführt das nicht auch gleichzeitig dazu, noch weiter zu gehen? Kann man einen Auftragsmord an einem korrupten Staatsoberhaupt rechtfertigen, auch wenn er im Dienste der guten Sache begangen und demokratisch darüber abgestimmt wurde? Kann man es verantworten, dass die Kinder der Präsidenten mit Aids infiziert werden, nur um diese dazu bewegen, mehr Geld in die Forschung zu investieren und allen Ländern der Welt die Medikamente zur Verfügung zu stellen?
8th Wonderland hat hohe, durchaus ehrenwerte Ziele, aber seine Methoden zu deren Umsetzung lassen den Staat als terroristische Organisation erscheinen. Dass in seinem Namen eine Reihe Unschuldiger zum Opfer werden, macht jedoch auch die Regierungen der realen Staaten, die es nicht mehr ertragen können, in ihrer Macht geschwächt zu werden, selbst dazu. Auch wenn der Film aufgrund so mancher Aktionen, aber vor allem durch die ständig mitschwingende Parodie der medialen Verwertung, ein gewisses Unterhaltungspotential bietet, ist '8th Wonderland' doch vor allem eines: ein politischer Film, der zum nach- und weiterdenken anregt. Es kann ja bekanntlich nicht schaden, seinen Geist auch mal zu fordern und sein Bewusstsein für die ein oder andere Ungerechtigkeit zu schärfen.
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